„Nein, meine Leistungen sind nicht schlecht“. „Nein, ich bin nicht verrückt ’so kurz‘ vor dem Ende aufzuhören.“ So oder so ähnlich begannen viele meiner Antworten als ich anfing meinen Entschluss Freunden und Bekannten zu eröffnen.

Warum ich nicht verrückt bin, obwohl ich es für eine gute Entscheidung halte, mitten im vorletzten Semester mit meinem Wirtschaftspsychologie Fernstudium aufzuhören, will ich euch heute erklären. Außerdem könnt ihr noch etwas über den Effekt versunkener Kosten lernen und darüber, wie ihr verhindern könnt, dass ihr ihm zum Opfer fallt.

Zunächst einmal kurz zur Vorgeschichte. Ich studiere seit April 2015 Wirtschaftspsychologie B.A. in einer Teilzeitvariante von 8 Semestern an einer privaten Fernhochschule neben meiner Arbeit. In dieser Zeit habe ich zweimal für mehrere Monate pausiert. Daher bin ich jetzt im vorletzten Semester und wäre erst nächstes Jahr fertig geworden. Mit dem Studium begonnen hatte ich, nachdem mir klar geworden war, dass ich meine damalige Arbeit nicht ewig machen wollte und kaum Chancen sah mich innerhalb der Beamtenlaufbahn zu verändern.

Hauptziel des Studiums war es, mir durch einen Abschluss als Wirtschaftspsychologin B.A. weitere Möglichkeiten zu eröffnen. Die Wahl des Studienfachs wurde daher neben persönlichem Interesse an psychologischen Themen auch durch etwaige Chancen auf dem Arbeitsmarkt beeinflusst. Man könnte sagen, die Entscheidung für mein Studienfach war ein Kompromiss zwischen Leidenschaft und Vernunft.

Im letzten Jahr hat sich in meinem Leben jede Menge verändert. Unter anderem wurde ich an eine neue Dienststelle mit völlig anderer Arbeitsweise und Aufgaben versetzt, wodurch meine Motivation für das Studium enorm nachließ. Zunächst hielt ich das für „so eine Phase“, die mit der ersten Begeisterung für die neue Arbeit zusammenzuhängen schien. Nach und nach wurde mir aber klar, dass es mehr war als das. Da ich den Abschluss aufgrund neuer Perspektiven in der Arbeit nicht mehr brauchte, fehlte plötzlich das Ziel, auf das ich die letzten Jahre hingearbeitet hatte.

Sollte ich das Studium noch abschließen, um mir oder anderen etwas zu beweisen? Meine Antwort war nein, das brauche ich nicht! Aber vielleicht weil ich schon so viel Zeit, Geld und Energie hineingesteckt hatte? Und an dieser Stelle kommt der Effekt versunkener Kosten (sunk-costs-effect) ins Spiel.

Dieser Effekt besagt, dass man zukünftig umso bereitwilliger weiter in eine Sache investiert, je mehr man in der Vergangenheit bereits in sie investiert hat oder auch, dass man schlechtes Geld gutem Geld nach wirft. Viele Unternehmen gehen zum Beispiel hohe Risiken ein, da sie selbst gegen alle Vernunft an Entscheidungen festhalten, für welche bereits hohe Kosten entstanden sind. Dahinter steckt der Gedanke, dass Kosten irgendwie gerechtfertigt werden müssen. Doch der Effekt versunkener Kosten tritt nicht nur bei monetären Investitionen auf, sondern – wie in einer Studie gezeigt werden konnte – auch bei zeitlichen Aufwendungen.

Mir wurde klar, dass ich drauf und dran war, dem sunk-costs-effect zum Opfer zu fallen und noch mehr Zeit, Geld und Energie in eine Sache zu investieren, nur weil ich schon so viel in sie investiert hatte. Dazu kommt noch, dass dieses Investitionen ja dennoch nicht „umsonst“ waren. Ich habe schließlich jede Menge gelernt, was mir niemand mehr nehmen kann. Zudem hätte ich ohne das Studium vermutlich nicht begonnen mich mit Selbstmanagement und Persönlichkeitsentwicklung zu beschäftigen. Und ich hätte diesen Blog nicht gestartet…

Hätte ich vor vier Jahren ein Studienfach gewählt, für das ich wirklich gebrannt hätte, wäre nun wahrscheinlich die Motivation da gewesen, dass Studium um seiner selbst willen fortzuführen und der Abschluss wäre das i-Tüpfelchen gewesen. So aber sehe ich nicht ein, wieso ich meine wertvolle Lebenszeit damit verbringen soll auf ein Ziel hinzuarbeiten, das ich doch eigentlich gar nicht mehr erreichen will.

Was bringt es immer weiter in eine Richtung zu laufen, die uns zu einem Ziel bringt, zu dem wir gar nicht (mehr) wirklich wollen? Wir sollten also immer wieder unsere Ziele und unseren Weg dahin überprüfen. Beides kann sich ändern, denn wir verändern uns auch. Schon Konfuzius sagte: „Wer ständig glücklich sein möchte, muss sich oft verändern.“

In diesem Sinne, zieh dein Ding mit vollem Einsatz durch, wenn es das ist, was dich an ein Ziel bringt, hinter dem du tatsächlich stehst. Aber werde misstrauisch, wenn deine einzige Motivation darin besteht, eine Sache zu Ende zu bringen, weil du schon so viel in sie investiert hast. Denn dann könntest du drauf und dran sein, dem Effekt versunkener Kosten auf den Leim zu gehen.

Finde deine Balance!

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